Hallo du schöner Mensch, toll, dass du da bist. Im letzten Artikel ging es ja um Liebe, vielen lieben Dank für eure lieben Nachrichten dazu, ich merke das ist ein Thema, das uns alle zu beschäftigen scheint.
Wie schon angekündigt, tauchen wir in dieser Woche noch tiefer in das Thema ein und sehen uns an, welche Archetypen der Liebe es gibt.
Zuerst aber: was sind eigentlich Archetypen? Der Begriff der Archetypen wurde vom Schweizer Psychiater und Begründer der analytischen Psychologie C.G. Jung geprägt, und bezeichnet in der Analytischen Psychologie die dem kollektiven Unbewussten zugehörig angenommenen dynamischen Grundstrukturen menschlicher Vorstellungs- und Handlungsmuster. In seiner Arbeit hat er 12 Archetypen definiert, die auf die Entwicklung des Menschen im gesamten Leben passen sollen.
Das Wort stammt aus dem Griechischen (archē = „Ursprung“), und bedeutet also wörtlich etwa „Ur- oder Grundprägung“. Oft wird der Begriff Archetyp sprachlich ungenau mit Urbild übersetzt, da er sich auch in symbolischen Bildern zeigt. Begrifflich eher zutreffend, aber inhaltlich zu statisch wäre das Wort „Urform“.
Im Gegensatz zu Stereotypen, die von außen nach innen wirken – so dass die Zuschreibungen des Betrachters ein Bild ergeben – wirkt der Archetyp von innen nach außen: als unumstößliche Konstante des menschlichen Lebens.
Ich möchte dir heute aber sechs abgewandelte Archetypen der Liebe vorstellen. Sie wurden so definiert von Allan G. Hunter, dem Autoren aus der letzten Episode zum Thema der Geschichte der Liebe.
Er wurde 1955 geboren und studierte an der Universität Oxford, wo er 1983 im Studiengang Englische Literatur promovierte. 1986 zog er in die USA und ist dort als Professor für Literaturwissenschaft und als Therapeut tätig. Bei der Arbeit mit seinen Klienten entdeckte er in ihren schriftlichen Abfassungen eine Reihe von Archetypen. Dies führte zu seiner Arbeit an der Ausformulierung der sechs archetypischen Stufen spiritueller Entwicklung. Diese Archetypen erscheinen in allen großen Werken des westlichen Kanons immer in derselben Form und in derselben Reihenfolge.

Die sechs Archetypen
Die sechs Stufen werden nach der Reihe durchlaufen, wobei wir bei großen Lebensveränderungen auch wieder auf eine frühere Entwicklungsstufe zurückgeworfen werden können und bei fehlender Reflexion und persönlicher Weiterentwicklung nicht alle erreicht werden. Die sechs Stufen lauten: Unschuldige:r, Waise:r, Pilger:in, Krieger-Liebhaber:in, Monarch:in, Magier:in und ich stelle sie dir nun nach der Reihe vor.
Unschuldige:r
Wir treten ins Leben als Unschuldige, als Babys, als Neuankömmlinge, unbeschriebene Blätter. Wir kennen die Regeln des Lebensspiels noch nicht, doch wir suchen die vertrauensvolle Bindung an andere Menschen. Dies ist das Bestreben eines Babys in seiner Beziehung zur Mutter bzw. der Eltern.
Es lernt, an der Mutterbrust zu saugen und dabei mit der Mutter zu „kooperieren“, wobei es der Mutter rückhaltloses Vertrauen schenkt. Im Gegenzug spürt die Mutter bzw. die Eltern eine tiefe Liebe für ihr Neugeborenes, die allgemein als „bedingungslos“ beschrieben wird. Der Mutter macht es nichts aus, wenn das Kind hin und wieder quengelig oder nicht unbedingt hübsch anzusehen ist – sie liebt es trotzdem ohne Vorbehalt.
Leider ist das grenzenlose Vertrauen des unerfahrenen Kindes in die Welt, die es umgibt, keine realistische Lebensgrundlage. Es hat keine Filter oder Vorerfahrungen, die wichtig sind, um sich im Laufe des Lebens sicher entfalten zu können.
Schon früh warnen die Eltern das Kind, nicht allen Erwachsenen blind zu vertrauen – schon gar nicht irgendwelchen Fremden, die es mit Süßigkeiten zu locken versuchen. Im Paradies ist eben leider nicht alles perfekt. Eltern sind nicht perfekt, und nicht immer können Mutter und Vater alles perfekt machen. Wenn ein Kind dies erkennt, ist das der Beginn der Waisen-Phase.
Waise:r
In dieser Phase erkennt das Kind, dass im gewohnten Umfeld nicht alles perfekt ist, sucht aber trotzdem die Bindung an andere Menschen, um sich sicher zu fühlen. Nun möchte es von Menschen, die es als sicher betrachtet, angenommen – gewissermaßen „adoptiert“ – werden. Dies ist oft auch der Anfang der Pubertät.
Der Autor berichtet als Beispiel von Nick Hornbys Roman About a Boy. In dem der zwölfjährige Marcus starke Angst hat, dass seine selbstmordgefährdete Mutter sich umbringt, und so ist er entschlossen, sich so viele Freunde wie möglich zu suchen und von ihnen angenommen zu werden, um den Ängsten um seine Mutter zu entfliehen. Es ist ein wundervoller Roman und spiegelt die Waisen-Phase am Beispiel dieses zwölf jährigen Jungen ausgezeichnet wider. Für Marcus ist Sicherheit gleichbedeutend mit der Anzahl von Menschen, die er um sich sammeln kann und als verlässliche Partner ansieht. Während er dabei ist, all die Menschen in seinem Leben miteinander bekannt zu machen, befindet er sich unbeabsichtigterweise in einer Position, in der er diese Menschen dazu bringt, füreinander zu sorgen und einander zu helfen. So wächst die Liebe weiter.
Nun ist die „Adoption“ durch andere eine Zeit lang sicher schön und gut, doch jeder Mensch spürt irgendwann den Drang, über sich selbst hinauszublicken. Irgendwann ist die Schule abgeschlossen und irgendwann verlassen wir das Elternhaus, denn sonst können wir nicht herausfinden, wer wir sind, wenn wir erst einmal auf uns allein gestellt sind. Dies kann unter Umständen sehr beängstigend sein, und manchen Menschen fällt es schwer, dies längere Zeit durchzuhalten. Sie flüchten sich in die Geborgenheit eines vermeintlich sicheren Arbeitsplatzes und stellen sicher, dass sie von der Gruppe oder Organisation, der sie angehören, angenommen werden oder zumindest die Erwartungen der Arbeitskollegen erfüllen. Sie kommen langsam zur Ruhe, gewöhnen sich an ihre Umgebung und fügen sich ein. Die Waise hat sich umgeschaut, erkannt, welche Herausforderungen anstehen, und beschlossen, wieder eine Waise zu sein. Viele Menschen bleiben ihr Leben lang auf dieser Entwicklungsstufe.
Doch wenn wir uns über das uns Bekannte hinauswagen und auf diesem Weg fortschreiten, wenn wir beschließen, dass es sich lohnt zu schauen, was das Leben sonst noch zu bieten hat, dann können wir zur nächsten Entwicklungsstufe voranschreiten und werden Pilger:in.
Pilger:in
Als Pilger:in verlassen wir die altbekannte „Komfort-Zone“ und machen uns auf den Weg, nach Bedeutung und Sinn im Leben zu suchen. Oft bedeutet dies, dass wir die Hoffnung hegen, in der Liebe diesen Lebenssinn zu finden. Die Hippiebewegung („Make Love not War‘) war berühmt für ihre verschiedenen Formen von Pilgerreisen. Damals machten sich Hunderttausende auf den Weg nach Woodstock und zu anderen gigantischen Open-Air-Konzerten – und ob es ihnen bewusst war oder nicht: Sie waren alle irgendwie auf der Suche nach etwas.
Vielleicht ging es ihnen nur um das Erlebnis als solches, oder sie kamen zu diesen Veranstaltungen, um gemeinsam Drogen zu konsumieren oder der freien Liebe zu frönen. Doch sie alle waren auf der Suche nach etwas und wünschten sich innigst, dieses Etwas zu finden. Und so pilgerten sie durch die ganze Welt, von Marrakesch über Kathmandu und Kairo bis zu den Yogis nach Indien, den Alternativ-Kommunen in Nevada oder den Surfstränden von Hawaii. Auf ihrem Weg vergaßen viele von ihnen allerdings, wonach sie überhaupt suchten, und wanderten einfach herum, bis sie – wieder als Waisen – ein Zuhause gefunden hatten.
Einige wenige wussten, wonach sie suchten – und fanden es. Als sie es fanden, erhoben sie für sich einen Anspruch, der sie in Menschen transformierte, die sich für ein reelles Ziel engagierten. Sie wurden zu Krieger:innen. Und da man nicht für etwas kämpfen kann, das man nicht liebt und respektiert, wurden sie sich der Liebe bewusst.
Krieger-Liebhaber:in
Auf dieser Entwicklungsstufe des Menschen, die wir als Krieger-Liebhaber:in bezeichnen, engagiert sich ein Individuum für eine andere Person oder ein bestimmtes Anliegen – oder beides.
Dies ist der Punkt, an dem ein liebender Mensch sich wirklich zu einer Beziehung bekennt und sich für sie einsetzt. Nun wird der Partner oder die Partnerin als jemand akzeptiert, von dem man weiß, dass er oder sie sich verändern und wachsen wird. Dies bedeutet allerdings auch, dass das Zusammenleben mitunter einige Herausforderungen mit sich bringt, denn nun müssen die Partner:innen füreinander Verständnis aufbringen, ebenso wie für die Veränderungen, die jede:r von ihnen durchlebt.
Nun tritt der Unterschied zum alten, traditionellen Beziehungsmuster, in dem der Mann der Frau ihren Platz und ihre Rolle zuwies, sehr deutlich zutage.
Wie wir jedoch wissen, reichen Engagement und Energie nicht immer für eine erfolgreiche Beziehung aus. So wie talentierte Lehrer zum Beispiel feststellen, dass sie sich nützlicher machen können, wenn sie ihr Wissen mit anderen Lehrern teilen, statt eine Klasse von Schüler:innen zu unterrichten, so möchte der/die Krieger-Liebhaber:in nun dessen Wissen und dessen Erfahrung in größerem Umfang mit anderen teilen. Ob dies nun bedeutet, dass die tatkräftige Führungskraft zur:m Vorgesetzten über andere Führungskräfte befördert wird, oder ob dies bedeutet, dass die Mutter ihren Kindern beibringt, sich selbst um ihre Wäsche zu kümmern und Verantwortung für sich selbst zu übernehmen – die Auswirkungen sind dieselben.
Der aktive Krieger-Liebhaber beginnt nun, anderen Menschen mehr Raum zu gewähren. Nun entwickelt sich gegenseitiges Vertrauen – und welche Liebe kann ohne Vertrauen blühen und gedeihen? Ich schenke einer anderen Person Vertrauen; sie zollt dem Anerkennung, genießt das Gefühl, vertrauenswürdig zu sein, und erwidert das Kompliment. Wenn auf diese Weise ein Vertrauensverhältnis hergestellt ist, hört der Krieger-Liebhaber auf, sich wie eine Ein-Mann- oder Eine-Frau-Armee zu verhalten, und schreitet stattdessen zur nächsten archetypischen Entwicklungsstufe, dem Monarchen, voran.
Diese Transformation lässt sich wohl am leichtesten nachvollziehen, wenn man versteht, dass der Krieger-Liebhaber dazu neigt, sich für eine „besondere“ Beziehung zu einem anderen Menschen zu engagieren, und an einem bestimmten Punkt muss sich diese Beziehung öffnen, um eine erweiterte Perspektive hinsichtlich dessen einzuschließen, was man mit seinem Leben anfangen kann. Der Krieger-Liebhaber lässt sich zu Beginn gewöhnlich auf eine intensive Liebesbeziehung mit einem für ihn wichtigen Partner ein und widmet dieser Beziehung immens viel Zeit und Energie. Irgendwann kommt dann aber ein Zeitpunkt, an dem jeder der beiden Partner seinen Freundes- und Bekanntenkreis erweitern oder in der Gesellschaft eine größere Rolle spielen möchte.
So könnten die beiden Partner sich in der Situation finden, dass sie durch ihre Kinder engeren Kontakt mit der Nachbarschaft, der Gemeinde oder den Eltern der Mitschüler ihrer Kinder haben.
Wenn sie sich dieser neuen Wirkungsbereiche bewusst werden, kann sie dies dazu veranlassen, in ihrem neuen, größeren sozialen Umfeld Führungsrollen zu übernehmen. An diesem Punkt können sie zur nächsten persönlichen Entwicklungsstufe, dem Monarchen, voranschreiten.
Monarch:in
Monarchien treten fast immer als Paare auf. Dieser Archetyp ist eine symbolische Darstellung der Verschmelzung des typisch Männlichen als „energisch ausführende Kraft“ mit dem typisch Weiblichen als „fürsorglich mitfühlende Kraft“. Die Verschmelzung dieser beiden Pole muss jeder der beiden Partner für sich selbst erfahren, so wie die Kräfte Yin und Yang sich im Taiji-Symbol zu einem vollständigen Kreis ergänzen.
Um auf diese Ebene zu gelangen, müssen wir uns im Klaren darüber sein, wann wir Strenge an den Tag legen müssen – und wann Mitgefühl angezeigt ist. So wie das Volk darauf vertraut, dass der Monarch oder die Monarchin die richtigen Dinge fürs gesamte Königreich tut, so muss der Monarch oder die Monarchin auf die Bedürfnisse der Menschen um ihn oder sie herum eingehen. Wird dieser „Vertrag“ der liebevollen gegenseitigen Abhängigkeit und Unterstützung nicht eingehalten, wird sich der Monarch oder die Monarchin nicht lange auf dem Thron halten können. Erinnern wir uns an die berühmten Worte von Marie Antoinette unmittelbar vor der Französischen Revolution, als ihr zu Ohren kam, dass die Armen sich kein Brot kaufen könnten; ihre Reaktion darauf war: “Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie Kuchen essen.“
Sie konnte sich nicht vorstellen, dass irgendjemand überhaupt Hunger litt, denn sie selbst hatte dies nie am eigenen Leib erfahren. Sie machte sich nicht einmal die Mühe herauszufinden, was diesbezüglich im Königreich wirklich vor sich ging. Und so kam es, dass sie und viele andere Adlige im Zuge der Französischen Revolution unweigerlich auf dem Schafott endeten. Tyrannei, die Gewalt- und Willkürherrschaft ohne Liebe oder Mitgefühl, währt gewöhnlich nicht allzu lange.
Die Aufgabe des Monarchen oder der Monarchin besteht darin, sich persönlich weiterzuentwickeln, was Vertrauen, Fürsorge, Anleitung, Orientierung und den Aufbau liebevoller Beziehungen betrifft. Die Einflusssphäre dieser Liebe kann sich sehr wohl über den unmittelbaren Umkreis hinaus erstrecken und auch den Staat, das Reich oder ähnliche Gebilde umfassen – allerdings nicht in blinder oder patriotischer Manier. Diese Liebe geht tiefer und beruht nicht auf dem Wunsch nach Bindung an jemanden oder etwas, sondern auf dem Wunsch, umfassende Verantwortung für diese Bindung zu übernehmen. Der wirklich weise und aufmerksame Monarch oder Monarchin ist sich immer dessen Pflicht bewusst, das Königreich so aufzustellen, dass dessen Geschäfte auch nach dem Tod des Regenten oder der Regentin erfolgreich weiterbetrieben werden können. Wenn der Monarch oder die Monarchin diese Pflicht – von Liebe motiviert – erfolgreich erfüllt, wird sie oder er bei der tatsächlichen Erfüllung von Aufgaben mehr und mehr Macht an andere delegieren und für seine Untertanen eine Quelle der Weisheit und Klugheit darstellen.
Solch ein:e Monarch:in vollführt die Transformation zur sechsten und letzten persönlichen Entwicklungsstufe, dem Magier.
Magier:in
Ebenso wie der Magier im Tarot zollt diese Figur heiligen Bräuchen und Riten Respekt, achtet Gesetze und Übereinkünfte und hält diese auf ähnliche Weise aufrecht wie ein Geistlicher oder eine Geistliche. Unabhängig von seiner Konfession kann ein Geistlicher allein durch seine Existenz für uns alle eine Erinnerungshilfe dafür sein, wie wir uns verhalten sollten und welche Erwartungen wir an das Höchste und Erhabenste in jedem von uns hegen sollten. Dazu muss die:der Magier:in gar nicht viele Worte verlieren; die Magie wirkt durch die Handlungen der Menschen und ihren Glauben an das Gute, was tatsächlich nur eine andere Form der Liebe ist. – Und so sehen wir, wie die Liebe wächst.
Das waren die sechs Archetypen der Liebe. Wir sind also eingeladen zu einer Reise, die uns vom Unschuldigen zur Waisen und von dort weiter zum Pilger, zum Krieger-Liebhaber, zum Monarchen und schließlich zum Magier führen kann. Jede einzelne dieser Stufen repräsentiert eine grundlegende Neuausrichtung des Selbst in der äußeren Welt, und keine Stufe kann übersprungen werden.
Auf jeder Stufe müssen wir für uns eine Neubewertung vornehmen, was Liebe sein und verkörpern könnte. Und es beschränkt sich nicht nur auf die Liebe: Tatsächlich ist es so, dass wir beim Antritt einer neuen Arbeitsstelle oder Beginn einer neuen Beziehung uns zunächst in der Rolle des oder der Unschuldigen finden und uns durch die hier beschriebenen Stufen und Phasen hinaufarbeiten. Manchmal durchlaufen wir die ersten Stufen recht schnell, denn wir kennen uns und unsere Fähigkeiten ziemlich gut und schenken dem, was wir tun, ausreichend Aufmerksamkeit. Doch dies ist nicht immer der Fall.
Erkennst du dich oder andere in einem oder mehreren der Archetypen wieder? Ich musste auf jeden Fall an der einen oder anderen Ecke schmunzeln und habe auch mehr Klarheit dadurch. Schreib mir gerne, was du von diesem Konzept hältst.
Nächste Woche gibt es ein super cooles Special – ich werde das erste Interview mit einem ganz besonderen Gast führen: meinem Verlobten. Du hast auf Instagram bis 11.2. Zeit mir auf Instagram Fragen zu stellen, die wir in diesem Interview zu unserer Liebe beantworten werden.
Alles Liebe,
Iris